Die Langsamkeit der Seele

Damals, als noch keine Straßen das Land durchschnitten und es noch keine Autos gab, um die Menschen so schnell wie der Wind vom Meer in die Berge zu bringen, kämpfte ein Missionar mit einer Schar von Trägern durch den afrikanischen Busch. Er hatte es eilig und trieb seine Führer zu immer schnelleren Gehen an, denn in drei Tagen wollte er sein Ziel erreichen.

Der dritte Morgen zog herauf, strahlend stand die Sonne am Himmel, die Luft flimmerte, das hohe Gras bewegte sich sacht und die Vögerl sangen. Der Missionar drängte zum Aufbruch, aber die Träger lagerten und wollten nicht aufstehen. Kein Zureden half, kein Befehlen, kein Drohen. Endlich fragte er nach dem Grund ihres Zögerns und erhielt zur Antwort: „Unsere Körper sind zwar hier, aber wir müssen noch warten, bis unsere Seelen nachgekommen sind.“

aus Nossrat Peseschkian, Der nackte Kaiser

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